Unsere neu restaurierte historische Müller-Orgel von 1841/42

Die Polbitzer Orgel wurde 1841/42 vom Delitzscher Orgelbaumeister Friedrich Wilhelm Müller gebaut.

Dies geht aus einem Gutachten hervor, welches der Sächsische Orgel- und Glockensachverständige beim Landesamt für Denkmalpflege in Dresden, Dr. Horst Hodick, im Jahre 2001 erstellt hatte (Vgl. Ulrich Dähnert: "Historische Orgeln in Sachsen", Leipzig 1980, S. 312).

Friedrich Wilhelm Müller war demzufolge ein Schüler von Johann Carl Friedrich Lochmann, auf welchen die Tradition des Delitzscher Orgelbaus zurückgeht. Nach dessen Tod im Jahre 1838 setzte F. W. Müller diese Tradition mit der Übernahme der Lochmann-Werkstatt fort. Zudem ging daraus hervor, dass der Kontrakt zum Bau der Orgel wahrscheinlich im August 1840 geschlossen wurde.

Die Polbitzer Orgel kann somit als die erste eigenständig vom Orgelbaumeister Müller geschaffene Orgel angesehen werden.

 

Die umfassende Restaurierung der Polbitzer Orgel lief über den Zeitraum von 2017 bis 2021.

Vor 20 Jahren erfolgte zuvor im Zuge der ersten Sanierungsarbeiten am Turm und Kirchenschiff zunächst die Demontage der noch vorhandenen Teile des Spielschranks, Orgelwerks, des noch zu DDR-Zeiten völlig maroden und später wahrscheinlich aus zweien übereinaderliegenden - damals zu einem zusammengeflickten Keilbalgs sowie der restlichen Holzpfeifen durch die Firma Orgelbau Bochmann aus Kohren-Sahlis. Seitens des FV erging schließlich 2018 auch der Auftrag an Orgelbaumeister Gerd-Christian Bochmann zur Restaurierung von Orgelgehäuse, Orgelwerk, zur kompletten Neuanfertigung des Keilbalgs sowie der Windkanäle und Wind- und Schleifladen sowie zur Installation des Ventus´ (Winderzeugers).

Dies waren die im Zuge des 1. Bauabschnitt für die Jahre 2018/19 mit Herrn Bochmann vereinbarten Leistungen.

Nach dessen unerwartetem Tod Ende 2020 konnte der FV glücklicherweise den Rostocker Orgelbaumeister Johann-Gottfried Schmidt

von der Fa. Historische Tasteninstrumente & Cembalobau für den 2. BA, die Restaurierung bzw. Wiederherstellung des Pfeifenwerks

(inkl. Intonation u. Stimmung) im Jahre 2021 gewinnen.

Die Ergänzung der fünf fehlenden Schleierbretter zwischen den Lisenen im Orgelprospekt hatte der Dresdner Restaurator im Handwerk

Olaf Ehrhardt im Jahre 2021 übernommen.

Farblich neu gefasst wurde das gesamte Orgelgehäuse inkl. des Schleierwerks vom Dresdner Diplom-Restaurator Peter Ehrhardt gemeinsam mit seiner Mitarbeiterin Gisa Hofmann ebenfalls in den Jahren 2020/21 .

Disposition und Stimmung

Das Pfeifenwerk besteht aus insgesamt 411 Pfeifen.

Davon sind 301 Zinnpfeifen (als Neuanfertigungen) - 42 im Orgelprospekt sichtbar

und 110 Holzpfeifen - davon wiederum sind 33 noch im Original erhalten und restauriert sowie 77 Neuanfertigungen.

 

Dies Disposition der Orgel umfasst insgesamt 10 Register:

 

linke Seite des Spieltisches (von oben nach unten)                                                                                                                  rechte Seite (v. o. n. u.)

- Viola di Gamba 8 Fuß                                                                                                                                                                          Principal 4 Fuß

- Gedackt 8 Fuß                                                                                                                                                                            Floete Traverse 8 Fuß

- Quinte 3 Fuß                                                                                                                                                                                               Floete 4 Fuß

- Mixtur 3-fach                                                                                                                                                                                            Octave 2 Fuß

- Sub Bass 16 Fuß                                                                                                                                                                                Violon Bass 8 Fuß

+ Vacant                                                                  und                        Calcant (Glöckchen im Innern des Spielschranks, kein Zimbelstern oben)

Die Manual- und Pedal-Klaviatur besteht aus 51 Tasten (davon 21 weiße) und 25 Pedalen.

Gestimmt wurde die Orgel in heute üblichen 465 Hertz.

Der traurige Zustand der Orgel im Jahre 2001

Beginn des Restaurierungsprojekts im Jahre 2017

Bauvorbesprechung des Vorstands mit Dr. Horst Hodick vom LfD und Orgelbaumeister Gerd-Christian Bochmann mit seinem Sohn Thomas Bochmann Ende 2018 und erste Spende i. H. v. 1.000 € der SK Leipzig, übergeben durch die Dommitzscher Filialleiterin Silvana Fischer gemeinsam mit ihrer Mitarbeiterin Manuela Hagen als Anschubfinanzierung für die Büroausstattung Ende 2017.

Start der Sanierungsarbeiten und erste Impressionen aus der Werkstatt in Kohren-Sahlis von einem Besuch im Frühjahr 2019 sowie frühere Aufnahmen der eingelagerten Teile des kläglichen Restbestandes der Orgel.

Einbau der restaurierten und neu angefertigten Teile des 1. BA 2019

Im Sommer 2019 erfolgte der Einbau des restaurierten Spielschranks mit Manual- u. Pedalklaviatur, Orgelwerk, neu angefertigtem Keilbalg (2. OG im Turm), Windkanal und Ventus durch Gerd-Christian Bochmann u. seine Mitarbeiter. Die zeitgleiche Installation der Elektrik wurde durch die Fa. Elektro-Fink aus Weidenhain bei Torgau ausgeführt.

Farbfassung des Gehäuses 2020

Diplom-Restaurator Peter Ehrhardt übernahm in einem ausgelagerten separaten Einzelförderprojekt gemeinsam mit seiner Mitarbeiterin Gisa Hofmann die Farbfassung des Orgelgehäuses im Sommer 2020.

Anfang 2021: Der 2. Bauabschnitt beginnt

Mitte 2021 lieferte Rest. i. H. Olaf Ehrhardt zunächst die Neuanfertigungen der fünf fehlenden Schleierbretter und baute die vorgrundierten Elemente zusammen mit dem letzten verbliebenen Original wieder im Orgelprospeckt ein.

Das restaurierte Pfeifenwerk

Unmittelbar danach begann Johann-Gottfried Schmidt mit seinen Mitarbeitern mit dem Einbau des Pfeifenwerks.

Parallel dazu erfolgte auch die Farbfassung und Vergoldung des Schleierwerks wieder durch Peter Ehrhardt u. Gisa Hofmann.

Beim Einbau der restaurierten Original-Holzpfeifen der Register Violon- u. Subbass stellte sich jedoch überraschenderweise heraus, dass diese für die mit Dr. Hodick vereinbarte Stimmung von 465 Hz zu kurz sind - resp. in der Tonlage viel zu hoch klingen. Das war umso bemerkenswerter, da die im 19. Jh. übliche Stimmung bei 440 Hz lag und die Pfeifen damit hätten eigentlich noch viel länger sein müssen...

Jedenfalls mussten alle alten Pfeifen der beiden Register noch mal ausgebaut und i. d. heimischen Werkstatt in Rostock durch Anleimen einer "Krone" verlängert werden. Damit wurde unplanmäßig ein dritter Aufenthalt in Polbitz vom 24. - 26.08. nötig.

Danach war es endlich vollbracht und wir konnten unseren am 19.09. geplanten Festgottesdienst für die Einweihung konkret vorbereiten.

Der größte Tag der jüngeren Vereinsgeschichte

Am Sonntag, dem 19. September 2021 mit den vier Glockenschlägen um 16 Uhr kam dann schließlich der große "Gänsehaut-Moment" und die neu restaurierte Polbitzer Orgel erklang nach mehr als einem halben Jahrhundert und fünf spannenden, aufopferungsvollen und kunsthandwerklich anspruchsvollen, sensiblen und arbeitsreichen Jahren wieder in unserer Polbitzer Kirche.

Nach der musikalischen Begrüßung durch den Augsburger Organisten Daniel Schmidt blickte Julia Sachse zunächst in ihrer Laudatio noch einmal auf diese letzten fünf Jahre zurück, bevor Pfarrer Cornelius Pohle eine Andacht hielt.

Der Sächsische Orgel- und Glockensachverständige beim Landesamt für Denkmalpflege in Dresden, Dr. Horst Hodick, ging in seiner Rede "Gedanken zu Orgel, Klang und Denkmalpflege" auf die globale Geschichte des Orgelbaus von den Anfängen in Ägypten bis in die Gegenwart sowie auf die Polbitzer Müller-Orgel im Besonderen ein.

Anschließend erklang ein weiteres Musikstück, diesmal von den Renaissance-Musikern der "Wittenberger Hofkapelle" unter der Leitung von Thomas Höhne gemeinsam mit Gesangssopranistin Julla von Landsberg, gefolgt von einem Duett mit Georg Frackowiak an der Orgel

und Ina Bär am Violoncello.

Danach segnete Pfarrer Pohle mit der kirchlichen Weihung die Orgel oben auf der Empore feierlich ein. Und nach der Enthüllung der Stiftertafel mit einer Auflistung der Unterstützer, die mit einer Spende die Patenschaft für jeweils eine der Prospektpfeifen übernommen hatten, erläuterte Orgelbauer Johann-Gottfried Schmidt den ca. 100 Gästen nochmals die kunsthandwerklichen und akustischen Herausforderungen bei der Restaurierung dieses schönen Instruments.

Optisch ausgeschmückt und begleitet wurde die Feierstunde mit einer Ausstellung mit Arbeiten der Malerei, Zeichnung und Objektkunst von Ina Bär, Friederike Stoppel, Sigrid Müller-Stahl, Elke Ludley, Anne-Katrin Weiner, Diethild Walther, Claudia Neustadt,

Dieter Dreßen, Reinhardt Müller, Gerhard Schuhmacher-Kitzig und Torsten Freche.

Im Anschluss an den öffentlichen Teil der Feierstunde nahm sich Dr. Hodick schließlich im Beisein von Frau Elfi Werner von der

Unteren Denkmalschutzbehörde beim LRA Nordsachsen sowie Herrn Schmidt auch noch die Zeit zur klanglichen und denkmalpflegerisch-baulichen, offiziellen Abnahme unserer neu restaurierten Polbitzer Müller-Orgel von 1841/42.

Damit kam dieses große Kapitel unserer jüngeren Vereinsgeschichte zu einer würdevollen und gesegneten Vollendung.

Wir danken allen, die zum erfolgreichen Gelingen dieses großen Vorhabens beigetragen haben auf das Herzlichste!